Ab in den Süden: Wanderung nach Tambwe
Die erste Wanderung in Ruanda fängt in Muhanga an und endet in Tambwe. Der einzige Grund, warum ich diese Strecke genommen habe, ist der, dass hierüber in den Reiseführern kaum etwas steht. Hinzu kommt, dass ich nicht weiß wo ich übernachten werde. Man kann sagen, dass mich das Unbekannte sehr neugierig gemacht hat.
Tambwe
Tag 12 – 27.11.14
In Nyamirambo nahm ich bis zum Nyabugogo Taxipark einen Bodaboda. Die Alternative mit dem Bus wäre zu umständlich gewesen und hätte fast das Gleiche gekostet. Mit Horizon Express ging es dann um 8 Uhr weiter nach Muhanga, von wo ich meine Wanderung startete.
Die erste markante Stelle auf dieser Route ist der Muhanga – Damm.
Nach dem Damm läuft man eine Zeit lang an Reisfeldern und Teeplantagen vorbei, die schön anzusehen sind.
Ungefähr bei der Hälfte der Strecke traf ich einen Familienvater, der mit seinen Söhnen Cassava am trocknen war. Sie waren so nett und füllten meine leeren Wasserflaschen auf.
Exkurs Cassava :
Cassava ist eine Wurzelknolle, die hier nach der Ernte getrocknet und anschließend zermahlen wird. Das entstandene Cassava-Mehl wird beim Kochen mit Wasser vermischt und ständig kräftig gerührt. Am Ende entsteht eine pampige Masse, die vor dem Verzehren in die Hand genommen und anschließend geknetet wird. Danach drückt man mit dem Daumen einen Hohlraum in die Masse, um beim tunken in eine Soße viel aufnehmen zu können. Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig.
Dass ich während der Wanderung ständig mit “Hello Mzungu” oder mit “Gif me Manni” begrüßt wurde, brauche ich nicht auf die große Glocke hängen. Man muss mit der Zeit lernen so etwas zu ignorieren. Das ständige Zurückgrüßen und das Antworten auf irgendwelche Fragen macht auf Dauer echt müde. Irgendwann will man nur die Augen schließen und einfach geradeaus laufen!
Kurz vor dem Ziel fragte ich einige Leute auf der Straße, ob es denn noch weit bis Tambwe wäre. Sie wussten nicht, was ich meinte. Lag es etwa an der Aussprache?
Konnten die mich nicht verstehen?
Irgendwann kam ich in einem Dorf an, wo meiner Meinung nach Tambwe sein sollte. In dem Moment fing es plötzlich an ordentlich zu schütten und ich suchte mir das erste Häuschen aus, wo ich Schutz vor dem Regen hatte. Es war das Haus eines Schreiners namens Thomas. Auf meine Frage, ob das hier Tambwe ist bejahten Thomas und sein Assistent mit einem Nicken. Der Grund, warum die bisherigen Befragten nicht wussten wo Tambwe liegt, lag daran, dass Tambwe der alte Name der Gegend war und heute Ruhango genannt wird. Nur ältere Menschen und Google Maps wissen noch wo Tambwe liegt.
Gestern hatte ich Diana gebeten, mir einen Satz auf Kinyarwanda aufzuschreiben, damit ich neben Englisch und Kiswahili eine dritte Möglichkeit hatte, um nach einer Bleibe zu fragen. Genau diesen Satz ließ ich vor, der mit einem Nicken bzw. mit einem Stirnrunzeln beantwortet wurde. Perfekt, direkt beim ersten Versuch, dachte ich!
Später kam ein junger Mann vorbei, der Englisch sprechen konnte. Ich fragte sicherheitshalber, ob Thomas mich richtig verstanden hatte. Verstanden hatte er mich wohl aber wollte es doch nicht, da er sich mit mir nicht verständigen konnte und hinzu kam, dass er sich verarscht vorkam. Ihm war nicht klar, warum ein Weißer, der Geld ohne Ende hat bei einem Menschen wie ihm übernachten will. Ich hatte echt nicht daran gedacht, dass man meine Frage nicht ernst nehmen würde.
Der Junge namens Niyomugabo bot mir sein Zuhause als Unterkunft an. Als wir in seinem Haus waren, traf ich Fils, der an einigen Tagen hierher kam, um Mugabo zu helfen. Der 22 jährige Mugabo lebte ganz allein in einem großen Haus. Den Grund für sein Alleinsein erklärte er mir. Sein Vater starb 1994 während des Genozids, weil er zu den Tutsis gehörte. Seine Mutter wurde laut seiner Aussage von einem Magic-Doctor getötet, der ihr etwas in ein Getränk gemischt hatte. So war Mugabo schon mit 11 Jahren ganz allein auf dieser Welt.
Nachdem ich meine verdreckten Wanderschuhe ausgezogen hatte, brachte er sie raus und fing sie ohne mein Wissen an zu waschen. Nebenbei hatte er mir schon Wasser heißgemacht, damit ich duschen konnte. Ich war erstaunt von seiner Gastfreundlichkeit. Er wollte sogar meine verdreckten Klamotten waschen, was ich nicht zulassen konnte. Seine Reaktion : “You are my brother and my guest. I would like to do it for you”
Die anschließende Dusche aus dem Eimer tat wirklich gut. Erinnerte mich an meine Kindheit in der Türkei. Nach dem Duschen bemerkte ich, dass er neben meinen Schuhen auch meine Socken gewaschen hatte. Verdammt! Mir fehlten die Worte.
Anschließend gingen wir auf den Markt in Ruhango, um für das Abendessen einzukaufen. Als wir wieder zu Hause waren, übergaben wir die Einkäufe dem 14 jährigen Fils, der für einen Teil des Kochens zuständig war. Später setzen wir uns zu ihm in die kleine Hütte, wo gekocht wurde. Ab diesem Zeitpunkt übernahm Mugabo das Kochen. Ich durfte nur zuschauen!
Beim Abendessen stellte ich fest, dass er nicht nur ein richtig netter Mensch war, sondern auch ein richtig guter Koch. Es gab Rindfleischstücke in einer Tomatensauce, Reis und Chipsi.
Spät am Abend, als wir schlafen wollten und ich eigentlich geplant hatte auf dem Sofa zu schlafen, bot er mir sein Bett an. Er bat mich so sehr, dass ich sein Angebot annahm. Er selber machte sich auf dem Fußboden eine Art Futon – Bett, um dort mit Fils gemeinsam zu schlafen. Von dieser ganzen Überfreundlichkeit wurde mir etwas mulmig in der Magengegend. Es lag vielleicht daran, dass ich bisher noch nie so einen netten Menschen getroffen hatte. Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, ob ich selber so etwas für einen Fremden tun würde. Mugabo erzählte mir im Laufe des Tages, dass er Physik, Mathe und Geologie studieren würde, aber möglicherweise doch nicht kann, weil ihm das notwendige Geld für die Studiengebühren fehlte, die bei etwa 90000 RWF lagen. Umgerechnet etwa 100€.
Während ich im Bett lag dachte ich daran, dass ich so einen netten Menschen doch helfen muss. Für mich sind die 100€ nicht viel. Für ihn aber fast ein Vermögen. Ich zögerte aber noch etwas. Vielleicht war das ganze nur eine Masche und ich wurde verarscht. Ich war hin und her gerissen…
Tag 13 – 28.11.14
Gegen 6:30 Uhr wurde ich vom Markt – Geschrei geweckt, der bis hier in das Dorf hallte. Ich hatte wie ein Baby geschlafen. Die Füße schmerzten noch etwas von der gestrigen Wanderung. Es waren die guten Schmerzen, eines erfolgreichen Tages.
Im Hof hörte ich die Stimmen von Fils und Mugabo. Sie waren schon etwas länger wach und hatten bereits Wäsche gewaschen. Zum Frühstück machte Mugabo Cassava. Die Zubereitung war sehr interessant.
Der Geschmack dagegen war nicht so meins. Irgendwie roch das ganze etwas nach Kuhfladen oder kam der Gestank vom Plumsklo, der nebenan war? Na ja ich wollte nicht unhöflich sein.
Die Cassava – Pampe wurde mitten auf den Tisch gestellt, wo sich jeder mit der Hand ein Stück rausnahm. Mir wurde gesagt, dass ich nicht kauen sondern direkt runterschlucken sollte. Es war nicht wirklich einfach!
Nach dem Essen zeigte mir Mugabo die Stadt Ruhango. Unterwegs merkte ich, dass ich blöderweise meine Mütze verloren hatte. Echt blöd bei so einer knallenden Sonne. Bevor wir nach Hause kehrten besuchten wir noch einen Massengrab. Es ist ein schreckliches Gefühl, wenn man bedenkt, dass vor knapp 20 Jahren hier an diesem Ort so viele unschuldige Menschen getötet wurden.
Nachdem wir zu Hause waren und ich mich etwas hinlegte, ging Mugabo wieder raus, um etwas zu erledigen. Währenddessen machte ich mir paar Gedanken und erholte mich etwas. Nach etwa 3 Stunden kam er zurück und fragte mich, ob ich mich noch an die Schweine erinnere, die wir vorhin angeschaut und gestreichelt hatten. Ich sagte ja und plötzlich holte er etwas hervor: Es war meine Mütze, die ich dort verloren hatte! Er ist in den letzten 3 Stunden den gesamten Weg entlang gegangen und hatte meine Mütze gesucht. Mir fehlten die Worte. So viel Freundlichkeit in einer Person… Das konnte echt nicht wahr sein. Ich bedankte mich herzlich! Ab jetzt war mir klar, dass so ein Mensch nicht hinterlistig sein konnte. Und ich war mir sicher, dass ich alles tun werde, damit er studieren konnte.
Wir entspannten später auf dem Hof. Er bot mir Milch an, was sich als saure Milch herausstellte. Diese Milch hat eine ähnliche Konsistenz wie Joghurt und heißt Ikivuguto. Nicht so ganz mein Geschmack! Hier bevorzugt man diese Milch gegenüber der frischen Milch, die ich bevorzugen würde.
Fürs Abendessen schlug ich vor, dass wir einen türkischen Salat machen und dazu Chipsi essen. Leider fehlten hier auf dem Markt einige Zutaten, um einen richtigen türkischen Salat machen zu können. Eine abgespeckte Variante musste also her. Am Ende hatte es uns allen geschmeckt und wir waren mehr als nur gesättigt. Mugabo wollte, dass ich noch einige Tage länger bleibe, was ich leider ablehnen musste. Ich versprach aber irgendwann wieder zurückzukommen. Wann? Das wird die Zukunft zeigen…
Ich bin hier: 2 29.529 S 28 53.593 O
Ruanda hat mir damals auch sehr gut gefallen. Schöne Grüße!
Echt? Wo warst du denn genau?
Hi Ferhat, danke für deine Berichte, es macht total Spaß dir zu folgen.
Ich bin neugierig, hast du Mugabo das Geld tatsächlich gegeben?
Lieben Gruß!
Hallo Elli, danke für deinen Kommentar und es freut mich sehr, dass dir meine Berichte gefallen haben. Ja, ich habe Mugabo damit etwas unter die Arme gegriffen. Viele Grüße aus Tansania!